Change
Eine Transformation des bisherigen Multichannel-Ansatz in der Automobilbranche hin zu einer Omnichannel-Lösung birgt zahlreiche Herausforderungen und Barrieren.
Im Laufe der Jahre hat sich bei vielen alteingesessenen Automobil-Herstellern ein zweistufiges Verkaufs- und Vertriebssystem etabliert, bestehend aus einer Großhandels- und einer Einzelhandelsebene. Im Rahmen dieses Systems, das aus Herstellern, nationalen Vertriebsgesellschaften und Autohäusern besteht, sind die Spielregeln klar und bekannt. Während auf der Großhandelsebene festgelegt wird, wie die jeweiligen nationalen Märkte beliefert werden, wird auf der Einzelhandelsebene bestimmt, wie der Verkauf an den Endkunden abgewickelt wird.
Es fehlt der Kontakt zwischen Hersteller und Konsument
Da sich die Strukturen über Jahre zementiert haben, ist es offensichtlich, dass die Hersteller keinen direkten Kontakt mit dem Endkunden haben. Dies liegt vielmehr in der Verantwortung der Autohäuser, die als letzte Instanz im Vertriebskanal der Hersteller die Schnittstelle zwischen Kunden und Marke bilden und damit die Interaktion zwischen Kunde und Hersteller begrenzen. Da die Hersteller zunehmend daran interessiert sind, ihre Kunden besser kennenzulernen, um einen direkten und vollständigen Kundenzugang zu erhalten, und Omnichannel-Einzelhandel nicht nur funktionale Grenzen überschreitet sondern auch eine enge Zusammenarbeit erfordert, gibt es keine Alternative hinsichtlich der Anpassung der etablierten Vertriebsstrukturen.
Herausforderungen auf allen Ebenen
Abgesehen von den organisatorischen Herausforderungen, die sich aus der Umstrukturierung ergeben, sehen sich sich alteingesessene Hersteller mit zahlreichen anderen Herausforderungen konfrontiert, die oft miteinander verbunden sind und nationale Vertriebsgesellschaften und Autohändler betreffen. Dazu gehören kulturelle, verwaltungstechnische, politische, rechtliche und ressourcenbezogene Herausforderungen sowie solche in Bezug auf Marketing und Einzelhandelsmix.
Von Multi- auf Omnichannel
Gegenwärtig interagieren Hersteller, Vertriebsgesellschaften und Autohäuser mit einem Multichannel-Ansatz mit ihren Kunden. Innerhalb dieses Ansatzes agieren die einzelnen Kanäle als eigenständige Einheiten. Daher hat jeder Kanal nicht nur seine individuell definierten Ziele, sondern auch seine eigenen funktionalen Teams wie Finanzen, Marketing und Verkauf. Aufgrund dieser dezentralisierten Strukturen besteht ein Wettbewerb zwischen den Kanälen und die kanalübergreifende Zusammenarbeit ist begrenzt, was deren Verknüpfung letzlich erheblich erschwert. Die erfolgreiche Umsetzung einer Omnichannel-Strategie erfordert allerdings eine Vernetzung der Kanäle und somit eine enge Zusammenarbeit über Kanäle, Aufgaben- und Geschäftsbereiche hinweg.
Digitalisierung bedeutet auch: Kulturwandel
Eines der größten Hindernisse für den Wandel von einem bisher produktzentrierten isolierten Multichannel-Ansatz hin zu einem kundenzentrierten Omnichannel-Ansatz stellt in diesem Sinne die Veränderung in der Unternehmenskultur dar. Kulturelle Herausforderungen sind allerdings nicht unüblich bei weitreichenden Wandlungsprozessen wie der Umsetzung einer Omnichannel-Strategie. Mitarbeiter sind entsprechend skeptisch und sträuben sich der Strategie, da ihre Umsetzung tiefe Einschnitte in ihre bisherigen Arbeitsmethoden bedeutet. Daher ist es für das Mangement eines derart tiefgreifenden Wandels entscheidend, sich mit den kulturellen Herausforderungen zu befassen. In diesem Zusammenhang ist es nicht nur erforderlich, dass das Management seinen Führungsstil an die neue Situation anpasst, sondern auch aktives Change-Management betreibt, das die Herausforderungen und Chancen des Omnichannel-Handels gegenüber den Mitarbeitern betont.
Newcomer wie Tesla mit großem Vorsprung
Hersteller sehen sich allerdings nicht nur mit Widerstand aus den eigenen Reihen konfrontiert, sie erleben auch Widerstand von Vertriebsgesellschaften und Autohäusern aus den einzelnen europäischen Märkten. Während neue Marktteilnehmer wie Tesla praktisch bei Null angefangen und von vornherein direkte, online-lastige Vertriebssysteme aufgebaut haben, leiden die meisten traditionellen Hersteller unter etablierten mächtigen Autohäusverbünden und vertraglichen Verpflichtungen in den jeweiligen Märkten. Die Macht der Autohäuser in Märkten wie Deutschland und die vertraglichen Verpflichtungen erschweren es Herstellern, Veränderungen als Teil einer Omnichannel-Strategie umzusetzen. Die Anpassung von Händlervertragen, die Weitergabe von Kundendaten und die angestrebte Vorwärtsintegration der Hersteller wird von einer Angst der Autohäuser begleitet, in einer Omnichannel-Umgebung letztlich überflüssig zu werden.